Rhein Zeitung 15.8.02 Text: Sylvia Wessel  
 

Sie leben und arbeiten an ungewöhnlichen Orten:
Im Speicher der alten Probstei war erst einmal Saubermachen angesagt - Jetzt stellen Stephan und Verena dort ihre Werke aus

Tauben weichen der Kunst

Die Galerie im historischen Speicher öffnet erstmals zum Münstermaifelder Jubiläumswochenende 1050 Jahre Marktrecht, 725 Jahre Stadtrechte.
Das ist am Wochenende, 17./18. August, für die Münstermaifelder einmal Grund genug, nach 25 Jahren ein Stadtfest zu feiern.

MÜNSTERMAIFELD. Zur Bereicherung des Festes riefen die Münstermaifelder Stephan und Verena zur "Perle des Maifeldes" zurück. Noch immer angetan von deren Projekt "Maifelder Hof 1996", übergaben sie dem Künstlerpaar den Speicher der alten Probstei. Seitdem fragt manch einer: Was machen die da? "Arbeiten und Wohnen an ungewöhnlichen Orten" heißt seit zehn Jahren die eine Leidenschaft von Stephan und Verena. Die andere: mit ihrer Kunst Begegnungen schaffen zwischen Leuten, die sich sonst nicht begegnen. "Wir nehmen den Leuten die Angst vor der Kunst, weil wir sie abholen, wo sie sind und setzen ihren Alltag in die Kunst um." Geheimnisvolle, verlassene, manchmal verfallene Orte bilden den Rahmen für die Malerei, die Videoinstallationen, Monotypien und Objekte des Künstlerpaares. "Hier oben war erst mal Putzen angesagt", lacht Verena. Der Speicher der alten Probs~tei, mit Taubenkot und Taubenleichen übersät, war für die beiden ein "irrer Speicher mit toller Energie." In monatelanger Arbeit haben Verena und Stephan Eindrücke von Münstermaifeld gesammelt, sich auf die Geschichte der Stadt eingelassen und nebenbei ein Sträußchen um ihre Projektidee für den verlassenen Eulenturm, der heute eigentlich Taubenturm heißen müsste, geflochten. Er war die zweite Motivation, nach sechs Jahren zurückzukommen. Die erste erklärt Verena: "Das Maifeld ist unglaublich reizvoll, auch die Ortschaften drum herum. Dann das große Plateau, die Felder, die verschiedenen Farben während der Rapszeit. Der Himmel über dem Maifeld ist riesengroß. Es gibt eine irre Wolkenbewegung hier. Müns~termaifeld mit seinem historischen Stadtkern wäre ein idealer Standort für ein kulturelles Zentrum." Zum ersten Mal seit zehn Jahren haben sie daran gedacht, in Münstermaifeld so halbwegs sesshaft zu werden, hier selbst Kultur zu managen und die Zentrale für die Organisation ihrer Projektreisen zu schaffen. Um leben und arbeiten zu können, wo sie schöne Orte finden. Beispiel: die Burg Dudeldorf bei Bitburg, die Grimmburg oder die Insel Rügen. "Wir ziehen für ein halbes Jahr mit Sack und Pack, wohin es uns gefällt. Packen alles, was wir für ein Projekt brauchen, in den Bus und ziehen in das Projekt ein." Was Verena und Stephan mit und aus dem Speicher der alten Probstei gemacht haben, ist erstmals am Samstag, 17. August, ab 13 Uhr, und am Sonntag, 18. August, ab 10 Uhr, zu bewundern. An den vier darauf folgenden Sonntagen schaffen sie ab jeweils 14 Uhr Begegnungen. So viel sei verraten: Es geht um die Fassaden von Münstermaifeld. Ein Blick von der schönen Totalen ins manchmal leider marode Detail.(sw)

 
  Maifelder Chronik 8-02  
 

Multimediale Kunst im Speicher der Alten Propstei

Das historische Stadtfest am 17. + 18. August in Münstermaifeld begeisterte eine große Anzahl an einheimischen und auswertigen Besuchern. Unter vielen Programmpunkten wurde eine Kunstausstellung der besonderen Art auf den Speicherebenen der Alten Propstei geboten. An die 1000 Besucher überquerten die Eingangsrampe in die Ausstellung von STEPHANundVERENA, um direkt auf das Kunstwerk zu stoßen, das am meisten für Aufregung und Gesprächsstoff gesorgt hat: Die Videoinstallation "KURZ VOR KNAPP": Mit der Digitalkamera festgehaltene Momentaufnahmen von Münstermaifeld, die das Städtchen im Panorama, per Computer auf zwei Monitore gesplittet und synchronisiert, mit dem Geläut der Kirchenglocken zeigen. Dieser 8 minütige digitale Rundgang durch Münstermaifeld zeigt einerseits die Schönheit der Gebäude des Ortes, andererseits mahnt er durch Aufzeigen der verwahrlosten Ecken, das es an der Zeit ist, aufzuwachen und Hand anzulegen, bevor es zu spät ist. Auch bei der Installation "TAUBENNOTRUFSÄULE", bei der eine Anzahl an toten Tauben ihren Hilfeschrei dem Betrachter durch einen Telefonhörer übermitteln, wollen STEPHANundVERENA auf die teilweise marode Situation der Stadt aufmerksam machen, um Impulse des Aufwachens zu geben. Außerdem wurden an die 30 Bilder (Monotypien und Malerei) mit Münstermaifeld-Bezug und ein Querschnitt älterer Werke in den zuvor ungenutzten Speicherebenen, die das Künstlerpaar als Galerie und Atelier hergerichtet hat, ausgestellt. All diejenigen, die die Ausstellung noch nicht besuchen konnten, oder wegen des großen Andrangs nicht die Ruhe fanden, die Werke von STEPHANundVERENA intensiv zu betrachten, haben an den kommenden Sonntagen: 1. September, 8. September und 15. September ab 14.00 Uhr die Möglichkeit, das Künstlerduo im Kulturhaus "Alte Propstei", Münsterplatz 4, 56294 Münstermaifeld zu besuchen. Der Eintritt ist frei.

 

 
  Rhein Zeitung 7./8.9.02 Text: Sylvia Wessel  
 


Künstlerpaar blickt kritisch hinter die Münstermaifelder Fassaden


"Kurz vor knapp" Ausstellungsende naht

MÜNSTERMAIFELD. Nur noch an diesem und dem nächsten Wochenende können Kunstfreunde und Fans von Münstermaifeld, eine bemerkenswerte Ausstellung des Künstlerpaares Stephan und Verena erleben."Kurz vor knapp" lautet der Titel ihrer Videoinstallation auf dem Speicher der alten Probstei. In einem acht Minuten kurzen Video-rundgang, ergänzt durch Malerei und Monotypien, legen Stephan und Verena den Finger auf die Wunden der alten Stadt. Sie zeigen historische Gebäude, für deren Rettung es "längst fünf vor zwölf , wenn nicht gar der Zug schon abgefahren ist."
"Mit unserem von Glockengeläut begleiteten digitalen Rundgang durch Münstermaifeld belegen wir die Schönheit der Stadt und werfen einen Blick hinter die Fassaden", erklärt Verena. Ihr Anliegen: Auf verwahrloste Ecken und zerfallende Gebäude aufmerksam machen. Es sei an der Zeit, "aufzuwachen und Hand anzulegen, bevor es zu spät ist", mahnen die Künstler. Ihr Motiv: "Wir haben uns in diese Stadt verliebt. Mit ein wenig Engagement könnte man diesen herrlichen Flecken Erde zu einem Zentrum der Begegnung von Kunst und Kultur, zu einer Attraktion für Touristen machen." In ihren Bildern haben Stephan und Verena ihre Erlebnisse in Münstermaifeld festgehalten, ihre Gefühle für Stadt und Menschen verarbeitet. Die positiven Seiten ihrer Begegnungen findet man in ihren Werken.
"Das Herz des Speichers", "positive Energie", "Freiheit", "interessante Begegnungen" und "Gespräche". Die negativen spiegeln sich in "Gerüchteküche", "Lügner", "Verschwörung, oder "Pleitegeier" wider. Bemerkenswert auch die den berühmten Affen entlehnte "Aliens-Trilogie." "Wir wollten nicht nur schöne Fassaden malen, sondern den Menschen ihre eigene Situation bewusst machen, zeigen, was passiert, wenn der Zerfall im Alltag nicht wahrgenommen, rettende Maßnahmen zu lange zerredet werden." Eines haben Stephan und Verena mit ihrer Ausstellung jetzt schon geschafft. Sie haben wach gerüttelt. "Die Besucher waren erstaunt, wie wir den früher ungenutzten und völlig von Tauben verdreckten Speicher hergerichtet haben. Viele haben nachempfunden, dass man in der Hektik des Alltags wesentliches manchmal übersieht", freut sich Stephan. Er will mit seiner Arbeit auch Mut machen: "Wir zeigen, wie man ernsthaft und doch auf spielerische Weise am Ball bleiben kann. Wie man für Münstermaifeld mit positiver Energie etwas schaffen kann, aus meiner Sicht etwas schaffen muss, um die Schönheit der Stadt richtig zu nutzen." "Impulse zum Aufwachen" gibt das Paar - todernst, was spätestens die mit Taubenleichen gefüllte Notrufsäule auf dem Speicher der alten Probstei deutlich macht. (sw)